Zum Nachdenken

In dem Stall ist es dunkel und kalt.

Mein Name ist „Hund“, ich bin 4 Jahre alt und hier in Dunkelheit geboren.

Um den Hals trage ich eine viel zu enge Kette mit der Nummer 286 und lebe in Zwinger Nr. 5,

direkt neben meiner Mutter.

Gegenüber lebt meine Tante,

hinter mir höre ich meine Schwester bellen.

Ach, irgendwie sind wir hier alle miteinander verwandt.

 

Ich
bin seit fast 60 Tagen schwanger und bekomme zum 7. Mal Babys.

Den Stall habe ich noch nie verlassen.

Grünes Gras und Sonnenlicht kenne ich nur aus Erzählungen meiner Mutter.

Mein Magen grummelt - ich habe solch einen Hunger!

Hoffentlich bekommen wir heute Abend noch ein wenig Brot.

Ein paar Tage später…

In der Nacht sind meine Welpen zur Welt gekommen.

Hineingeboren in die Dunkelheit und Kälte.

5 kleine Welpen liegen auf dem kalten Boden und ich versuche sie mit meinem ausgemergelten Körper warm zu halten.

Ein kleines Mädchen bewegt sich nicht mehr.

Ich stupse sie mit meiner Nase an,

aber sie hat die ersten Stunden leider nicht überlebt.

Die anderen Welpen drängen an die Milchbar – viel Milch habe ich nicht und so haben meine kleinen Babys genauso viel Hunger wie ich auch.

Da kommt der Mann und schaut in meinen Zwinger.

Wortlos nimmt er mir das tote Welpenbaby weg und wirft es achtlos in einen Eimer.

Ich krieche zu meinen anderen Babys zurück und lege mich schützend über sie.

Ich bekomme ein paar Scheiben Brot hingeworfen,

welche ich gierig verschlinge.

Dann schließt die Tür und ich bin mit meinen Babys wieder alleine.

Fünf Wochen später…

Die Tür wird aufgerissen und vor Schreck springe ich in die Ecke.

Doch ohje!

Der Mann greift nach meinen Babys und trägt sie alle weg!

Ich fange laut an zu bellen und will meine Kinder verteidigen.

Aber ich spüre einen harten Tritt in meinen Bauch.

Ich schleudere in die Ecke und als ich wieder klar schauen kann,

sind meine Babys weg!

Wieder hat man mir alle genommen!

Immer und immer wieder das gleiche!

Traurig lege ich mich in die Ecke und rieche den Babygeruch,

der so langsam verfliegt… mein Gesäuge wird immer härter und heißer –

es tut weh und ich spüre ganz deutlich die Stelle,

wo mich vorhin der Stiefel getroffen hat!

Ich wimmere leise vor mich hin – wo sind meine Babys?

Sie müssen doch noch trinken, mein Gesäuge tut so weh.

Aber ich bin wieder alleine in der Dunkelheit und Kälte.

Mir wird es abwechselnd heiß und kalt.

Matt liege ich in der Ecke.

Das Fieber lässt mich schütteln und ich denke besorgt an meine Babys.

Wie es ihnen wohl gehen mag?

Haben sie es jetzt warm und hell?

In Gedanken versunken schlafe ich ein…

Ein paar Stunden später kommt der Mann und schaut in den Zwinger.

 

„Hey, holt mal die Schubkarre, hier ist eine tot.“

Nur eine Geschichte?

Leider nein!

Tag für Tag eiskalte Realität für unzählige Hündinnen,

die zum Wohle des Profits von skrupellosen Züchtern in

lebensunwürdigen Verhältnissen gehalten werden.

Ganz in unserer Nähe – sie leben mitten unter uns!

Sie wollen dagegen etwas tun?

Dann kaufen Sie keine billigen Welpen im Internet oder in der Zeitung!

 

Die Mutter Ihres Hundes könnte Hund Nr. 286 aus Zwinger Nr. 5 gewesen sein.

 


 

 

 " Wie konntest du nur?" 

 

Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen Possen und brachte Dich zum Lachen. Du nanntest mich Dein Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so manchem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester Freund. Immer wenn ich "böse" war, erhobst Du Deinen Finger und fragtest mich "Wie konntest Du nur?" - aber dann gabst Du nach und drehtest mich auf den Rücken, um mir den Bauch zu kraulen. 

 

Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als erwartet, denn Du warst furchtbar beschäftigt, aber zusammen bekamen wir das in den Griff. Ich erinnere mich an jene Nächte, in denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und Du mir Deine Geheimnisse und Träume anvertrautest, und ich glaubte, das Leben könnte nicht schöner sein. Gemeinsam machten wir lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem Auto, holten uns Eis (ich bekam immer nur die Waffel, denn "Eiskrem ist schlecht für Hunde", sagtest Du), und ich döste stundenlang in der Sonne, während ich auf Deine abendliche Rückkehr wartete. 

 

Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner Karriere zu verbringen - und auch damit, Dir einen menschlichen Gefährten zu suchen. Ich wartete geduldig auf Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen hinweg, tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen und überschlug mich vor Freude, wenn Du heimkamst und als Du Dich verliebtest. 

 

Sie, jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch" - trotzdem hieß ich sie in unserem Heim willkommen, versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr. Ich war glücklich, weil Du glücklich warst. Dann kamen die Menschenbabies, und ich teilte Deine Aufregung darüber. Ich war fasziniert von ihrer rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso bemuttern. Nur dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen wehtun, und so verbrachte ich die meiste Zeit verbannt in einem anderen Zimmer oder in meiner Hütte. Oh, wie sehr wollte auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem "Gefangenen der Liebe". 

 

Als sie aber grösser waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten sich in meinem Fell fest, zogen sich daran hoch auf wackligen Beinchen, pieksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten meine Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase. Ich liebte alles an ihnen und ihre Berührung - denn Deine Berührung war jetzt so selten geworden - und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre. 

 

Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und Träumen zu, und gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines Wagens in der Auffahrt. Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest, ein Foto von mir aus der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich. In den letzten Jahren hast Du nur noch mit "Ja" geantwortet und das Thema gewechselt. Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur einen Hund" verwandelt, und jede Ausgabe für mich wurde Dir zum Dorn im Auge. 

 

Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen Stadt, und Du und sie werdet in eine Wohnung ziehen, in der Haustiere nicht gestattet sind. Du hast die richtige Wahl für "Deine" Familie getroffen, aber es gab einmal eine Zeit, da war ich Deine einzige Familie. 

 

Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir am Tierheim ankamen. Es roch nach Hunden und Katzen, nach Angst, nach Hoffnungslosigkeit. Du fülltest die Formulare aus und sagtest "Ich weiss, Sie werden ein gutes Zuhause für sie finden". Mit einem Achselzucken warfen sie Dir einen gequälten Blick zu. Sie wissen, was einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet - auch mit "Stammbaum". Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen, als er schrie "Nein, Papa, bitte! Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!" Und ich machte mir Sorgen um ihn und um die Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht hattest: über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortung, und über Respekt vor allem Leben. Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet. Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen. 

 

Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du hättest wahrscheinlich schon seit Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst und nichts unternommen, um ein gutes Zuhause für mich zu finden. Sie schüttelten den Kopf und fragten "Wie konntest Du nur?". 

 

Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht. Natürlich werden wir gefüttert, aber ich habe meinen Appetit schon vor Tagen verloren. Anfangs rannte ich immer vor ans Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in der Hoffnung, das seiest Du - dass Du Deine Meinung geändert hättest - dass all dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei... oder ich hoffte, dass es zumindest jemand wäre, der Interesse an mir hätte und mich retten könnte. Als ich einsah, dass ich nichts aufzubieten hatte gegen das vergnügte Um-Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos gegenüber ihrem eigenen Schicksal, zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und wartete. 

 

Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich zu holen, und trottete hinter ihr her den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum. Ein angenehm ruhiger Raum. Sie hob mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es sei alles in Ordnung. Mein Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde, aber da war auch ein Gefühl der Erleichterung. Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen. Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie besorgt. Ihre Aufgabe lastet schwer auf ihr, und das fühlte ich, genauso wie ich jede Deiner Stimmungen erfühlen konnte. 

 

Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderpfote an, während eine Träne über ihre Wange floss. Ich leckte ihre Hand, um sie zu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen Jahren getröstet hatte. Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein. Als ich den Einstich fühlte und spürte, wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich schläfrig und legte mich hin, blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte "Wie konntest Du nur?" 

 

Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb "Es tut mir ja so leid". Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald an einem besseren Ort wäre, wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt werden könnte oder auf mich alleine gestellt wäre - einem Ort der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser irdische Ort. Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr mit einem Klopfen meines Schwanzes zu verstehen zu geben, dass mein "Wie konntest Du nur?" nicht ihr galt.
Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an Dich denken und auf Dich warten. 

 

Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen!

 

 

 

 

 

©Jim Willis 2001, tiergarten@onebox.com, (Übersetzt aus dem Amerikanischen von Elvira Rösch & Nicole Valentin-Willis)

 

 

Wir möchten Sie dazu ermutigen, "Wie konntest du nur?" zu veröffentlichen und so mitzuhelfen, die verbreitete Vorstellung von Tieren als "entsorgbar" zu ändern und vor Augen zu halten, dass der Entschluss, ein Tier in eine Familie aufzunehmen, eine VERPFLICHTUNG bedeutet, welche für die Lebensdauer des Tieres anhält! Jim Willis

Die Geschichte von Lea